Märchenstunde: Motorradhändler sind böse!

Motorradhändler können nett sein. Einige von ihnen sind allerdings einfach nur knallharte Verkäufer und alles andere als “lieb”. Zur Abwechslung möchten wir Euch heute mal ein kleines Märchen erzählen. Auf geht’s:

Es war einmal…

… ein Sechzehnjähriger, der irgendwie aus der Art schlug und sich – entgegen seinen Altersgenossen – für Motorräder begeisterte. Er sparte sein komplettes Taschengeld, um sich seinen großen Traum erfüllen zu können: Eine 125er KTM-Duke! Leider reichten die paar Pinunsen weitem nicht aus. So plackerte er sich in den Ferien stundenlang kistenschleppend ab, während seine Kumpels sich am und im See vergnügten.

Schließlich begab es sich, dass er mitten im tiefsten Winter auf eine interessante Anzeige bei Mobile.de stolperte:

Eine 125er KTM-Duke, gepflegt und unfallfrei, aus erster Hand, von einem Mädel gefahren, mit gerade mal 6.000 Kilometern auf der Uhr. Angeboten wurde sie von einem (Suzuki-Vertrags)Händler, natürlich mit einem Jahr Garantie.

Mangels Autoführerschein also fix einen Chauffeur überredet und nix wie hin zum 150 Kilometer entfernten Händler ins westliche Niedersachsen, das Mopped sorgfältig auf dem geliehenen Anhänger verzurrt und breit grinsend und stolz ab zurück Richtung Heimat!

Fortan hegte und pflegte “Junior” sein “Motorrad”, steckte viel Liebe in die Details und nutzte jede nur denkbare Möglichkeit, kleine und große Runden auf dem Mopped zu drehen.

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Hier und da bekam er auch mal “Geleitschutz”… 😉

Instandhaltungs-Arbeiten und die Sache mit dem Checkheft…

Irgendwann nahte der Tag, an dem der “Kleine” mit seinem Gefährt tagtäglich zwanzig Kilometer (One-way) zu seiner Arbeitsstelle zurücklegen musste. Vorsichtshalber stellte er sein “Fliewatüt” daher in der nahegelegenen KTM-Vertragswerkstatt vor, um es gründlich durchchecken zu lassen.

Um zirka 270 Euro ärmer verließ er die Werkstatt mit der gemeinen Botschaft, dass diese Maschine niemals zuvor eine Inspektion bei KTM genossen hatte (geschweige denn, dort registriert war!)

“Not really amused” wandte er sich daraufhin vertrauensvoll an den verkaufenden Händler:
Der beteuerte, die Inspektionen seien sehr wohl durchgeführt worden, allerdings habe er das Service-Heft als Nicht-KTM-Händler nicht stempeln können.

Auf Nachfrage schickte man ihm jedoch wohlwollend die Rechnungen über die durchgeführten Inspektionen. Dass diese allesamt das aktuelle Datum trugen, nahm nicht nur der junge Mann leicht irritiert zur Kenntnis…

Kurze Zeit später wurde es schließlich auch Zeit für neue Schlappen:
Der junge Mann war nicht sonderlich böse drum. Immerhin hatte die Vorbesitzerin die – eh miesen – Original-Reifen irgendwie eckig gefahren. Dumm nur, dass sich sein Goldesel kurzzeitig verschluckt hatte. So setzte er den “Satz vergoldetes Gummi” kurzerhand auf seine Geburtstagswunschliste und wurde zum Glück erhört. Als dann endlich die neuen “Michelin Pilot Power” aufgezogen waren, fuhr sich das Maschinchen NOCH besser und so strahlte er Glückseligkeit in Tüten! 😀

So fuhr er dann tagein tagaus zur Arbeit…
Bis zu dem Tag, als sich die Lenkung plötzlich ein wenig merkwürdig “anfühlte”…

Da ihm dies nicht geheuer war, machte er sich erneut auf zum KTM-Händler.

Der stellte fest, dass das Lenkkopflager hinüber war (Kostenpunkt: ca. 250 Euro). Erstaunt darüber, dass dies bereits nach so kurzer Zeit hinüber war, nahm der KTM-Profi die Maschine näher in Augenschein und gewann recht schnell den Eindruck, dass das Motorrad irgendwie “verzogen” sei. Hatte sie gar irgendwann einen Unfallschaden???
Oder warum sonst waren diverse Teile (Lenker, Halterungen etc.) wohl ausgetauscht worden?

Der verschwiegene Unfallschaden…

Leicht nervös setzte sich der junge Mann mit der Vorbesitzerin in Verbindung (Facebook und Instagram sei Dank!). Was er hörte, ließ ihn alles andere als frohlocken: Das Mädel war einst mit der Duke gestürzt und durfte daraufhin das Krankenhaus einige Tage von innen betrachten.
AAHA!!!

Prompt zückte der “Kleine” den Telefonhörer, um den verkaufenden Händler um eine Erklärung zu bitten. Dieser gab – sinngemäß – folgenden Bullshit von sich:

Naja, ok. Tatsächlich sei das Mädel damals mal mit der Maschine “umgefallen”. Und ja: Natürlich habe man daraufhin den kleinen “Bagatellschaden” repariert (Neuer Lenker, neue Verkleidungsteile und so weiter). Und nein: Natürlich sei die Maschine in keiner Art “verzogen”. Darüber hinaus sei es wohl kaum notwendig, einen “so kleinen Umfaller” im Kaufvertrag anzugeben… *BLABLAAA*

Nicht nur dem “Kleinen” schwoll der Kamm!

Recht schnell fand er heraus, dass er das nicht so hinnehmen musste.
Erwirbt ein Käufer ein – angeblich – unfallfreies Fahrzeug und stellt sich nachträglich heraus, dass dies nicht stimmt, kann er darauf bestehen, dass das Fahrzeug zurückgenommen und der Kaufvertrag rückgängig gemacht wird. Somit muss der Verkäufer dem Käufer (mindestens) den Kaufpreis erstatten!

Arglistige Täuschung durch einen ignoranten Händler und die mangelnde Aussicht auf einen Rechtsstreit-Erfolg

Als der Verkäufer von der Rücktritts-Absicht hörte, war ihm verständlicherweise nicht zum Lachen zumute. Zunächst zeigte er sich völlig uneinsichtig, keiner Schuld bewusst und fühlte sich offenbar weiterhin im Recht.

Ganz im Gegenteil: So verlautbarte er gar, es sei natürlich eine praktische Sache, ein Motorrad eine Saison lang zu fahren, um es dann wegen “so einer Lapalie” zurückgeben zu wollen!

Für ihn, den armen armen Händler sei das extrem ärgerlich; immerhin habe das Fahrzeug einen Wertverlust von weit über 600 Euro! Diesen Betrag müsse er natürlich von der Forderung abziehen!

Nach einigen Zickereien bot er schließlich an, das Mopped aus dem Wohnort des jungen Mannes zurückzuholen, blieb jedoch mit seiner Rückzahlungszusage 100 Euro unter dem ursprünglichen Kaufpreis.

Das Dilemma…
Da der Käufer das Fahrzeug genutzt hat, wird tatsächlich ein sogenannter “Gebrauchsvorteil” (oder “Nutzungswertersatz”) von der Kaufsumme abgezogen.
Hmmm… und dieser beträgt tatsächlich mehr als 600 Euro?

Wie berechnet sich der Gebrauchsvorteil?

Hierzu gibt es eine auf den ersten Blick recht einfache Formel:
[Kaufpreis] mal [vom-Käufer-gefahrene-Kilometer] durch [zu-erwartende-Kfz-Gesamtlebensdauer]

Aber wie berechnet man die zu erwartende Kfz-Lebensdauer?
“Das Internet sagt” folgendes: Handelt es sich um einen Pkw, geht man von 150.000 – 200.000 Kilometern aus. Bei einem Motorrad sind es eher 100.000 Kilometer. Bei Leichtkrafträdern sinkt die Zahl noch einmal drastisch, so dass man nur noch von 60.000 Kilometern ausgehen kann (was laut KTM-Händler für eine kleine “Duke” bereits revolutionär ist)

Fakt ist: Je höher die “zu erwartende Kfz-Gesamtlebensdauer”, desto höher wird der Betrag, den der Verkäufer dem Käufer – trotz arglistiger Täuschung – vom Zahlbetrag abziehen darf…

[Alle Infos OHNE Gewähr!]

Im aktuellen Fall berechnete der junge Mann eine abzuziehende Summe von 350 Euro. Mittlerweile hatte er sich aber weiter schlau gemacht und wusste, dass er zusätzliche seine eigenen Kosten dagegenhalten konnte;

Arglistige Täuschung: Was steht dem betrogenen getäuschten Käufer zu?

  • Alle angefallenen notwendige Reparaturkosten, unter anderem auch die Kosten der Inspektion und der neuen Reifen
  • Kosten für die An- und Abmeldung des Fahrzeugs sowie der Kennzeichen
  • Kosten für die Abholung des Fahrzeugs vom Händler
  • 4 Prozent Zinsen des Kaufpreises für die betroffene Zeit

[Alle Infos OHNE Gewähr!]

Von alledem wollte der Händler allerdings nichts hören. Statt dem Kleinen in irgendeiner Art entgegenzukommen, spielte er das fälschlicherweise im Kaufvertrag bei “unfallfrei” gemachte Kreuz herunter, zeigte nicht einmal Skrupel, mit einem Minderjährigen über die Sache zu “verhandeln” und beharrte schließlich hartnäckig auf seinem – in seinen Augen vermutlich sogar ziemlich “großzügigen” – Angebot!

Recht haben und Recht bekommen…

Nach Rücksprache mit einem Anwalt akzeptierte der junge Mann schließlich die Abholung des Fahrzeugs gegen die um 100 Euro reduzierte Kaufsumme.

War das klug?

Das Bauchgefühl schreit förmlich “Nein!” – Schließlich ist der Kleine doch im Recht!?

Verstand und Anwalt sagen dahingegen: “Ja!”

Bei einem nachfolgenden Rechtsstreit wäre immerhin zu beweisen gewesen, dass das Fahrzeug tatsächlich durch den Unfall verzogen war. Ohne ein – teures – Gutachten kaum nachweisbar.

Vermutlich hätte der “ach so ehrenwerte, sich bereits seit zwanzig Jahre im Geschäft befindliche” Händler daraufhin obendrein behauptet, der Schaden rühre überhaupt nicht aus dem Unfall der Vorbesitzerin, sondern aus jüngster Vergangenheit.

Möglicherweise hätte der junge Mann vor Gericht Recht bekommen. Wenn, dann jedoch vermutlich erst viele Monate später!

Möglicherweise wäre der Richter ebenfalls der Meinung gewesen, dass ein Händler in Kaufverträgen Vorschäden an einem Motorrad gefälligst anzugeben hat und man nicht von einem “Umfaller” sprechen kann, wenn sich jemand beim Anfahren einer Ampel verbremst, stürzt, angeblich “etwas blöde” auf einem Bordstein aufkommt und sich so dabei verletzt, dass ein Krankenhausaufenthalt notwendig ist. Und er hätte ihm infolgedessen DIE saftige Strafe auferlegt, die ein VERTRAGS-Händler nach unserer laienmäßigen Rechtsauffassung eigentlich verdient hätte! –
Weiß man’s???

Leider konnte der junge Mann beim besten Willen nicht auf eine Entscheidung in “ferner Zukunft” warten: Immerhin schert sich kein Arbeitgeber dieser Welt auch nur die Bohne um irgendwelche “unglücklichen Umstände!”

Wer schon einmal im Münsterland wohnen musste, weiß, dass es so gut wie unmöglich ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln kostengünstig von A nach B zu kommen. Da diese Option somit ausfiel, blieb dem Kleinen nichts anderes übrig, als sich kurzfristig ein Ersatzfahrzeug zu besorgen. Dazu benötigte er jedoch den Rückzahlungsbetrag des Verkäufers…

Und die Moral von der Geschicht’? – Traue keinem Motorradhändler nicht!

… Und wenn der ach so arme, gebeutelte Verkäufer nicht gestorben ist, verkauft er seine “unfallfreien” Moppeds noch heute!

Leider ist die Geschichte von einem Märchen weit entfernt und hat sich tatsächlich zugetragen.

Vermutlich lacht sich der Händler insgeheim eins ins Fäustchen: Zwar wurde die “Duke” seit dem damaligen Verkauf stolze 6.000 Kilometer gefahren. Dafür kann er sie aber jetzt tatsächlich als “scheckheft-gepflegt” und mit beinahe niegelnagelneuen Top-Reifen weiterverkaufen!

Bedauerlicherweise ließen sich so kurzfristig keine “abgewrackten” Reifen besorgen, sonst hätte der “Kleine” sie ganz sicher montiert. Zumindest war es vor der Rückgabe jedoch möglich, den (vollen) Tankinhalt zu leeren!

Und wieder einmal hat sich gezeigt: “Trau, schau, wem!”
Blöde nur, dass man den Menschen regelmäßig nur VOR den Kopf gucken kann!

Fakt ist jedoch:
Von DEM Händler kaufen wir IM LEBEN kein Motorrad mehr!

Bye-bye “Duke”!

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Schade…
‘s war eine schöne Zeit mit der kleinen Duke!
Eigentlich wollte der junge Mann sie fahren, bis er im kommenden Sommer auf “was Größeres” umsteigen darf. Demzufolge ging ihm die Trennung nur sehr schwer ab!

Was ihm übrigens noch viel weniger schmeckt, ist die Tatsache, dass er momentan – aus der Not heraus – mit einem untermotorisierten Roller zur Arbeit tuckern muss…

ruhe-vor-dem-sturm

Tja… Alles irgendwie dumm gelaufen und ganz sicher magengeschwür-fördernd!:-(

Wir hoffen jedoch arg, Ihr habt die Story irgendwie im Hinterkopf, falls Euch demnächst mal eine “schöne unfallfreie 125er Duke” angeboten wird!

 

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